Jenische Identität

Es ist schon eine interessante Sache an sich...das Thema Identität. Oft deffiniert sich der Mensch als Individuum, besitzt also eine eigene Identität und daneben gehört er einem Kollektiv an, in unserem Falle das Jenische Volk.
Oft wird uns der Begriff Volk streitig gemacht. Man sagt uns: "Ihr seid kein eigenes Volk, da ihr keine Ethnie darstellt. Ihr seid eine sozio-kulturelle Minderheit...Ihr habt kein Recht euch als Volk zu bezeichnen, ihr erfüllt die Kriterien nicht...."

Ist dem so?

Was deffiniert ein Volk?
Antwort: eine eigene Sprache, eine eigene Kultur, eine eigene Lebensweise, ein eigenes Wertesystem, ein eigenes Identitätsbewusstsein, ein kollektives Verständnis als zusammengehörige Gruppe, eine gemeinsame Geschichte, gemeinsame Traditionen und Bräuche...

Ein gemeinsames Land?
Wo ist das Land der Rom? Indien?
Wo ist das Land der Juden? Israel? Was war vor der Gründung von Israel? Die Juden besassen Jahrhunderte lang kein eigenes Land, und trotzdem lebten sie in der Diaspora als eigenes Volk.

Wo ist das Land der Jenischen? Europa!
Die Weite Welt ist unser Feld... wir leben in einer ständigen Diaspora...warum dieser Zustand so ist weiss man nicht. Wo die Jenischen herkommen? Wir waren schon immer da. Wir sind die Künder und Eingeweihten der alten römischen Strassen. Wir sind die, welche schon immer mit dem Schuerk und dem Zossem auf der Stehr waren. Wir setzen uns aus vielen zusammen und bilden ein Kollektiv.

Ja, wir haben ein kollektives Bewusstsein als Jenische. Wir haben eine eigene Sprache, die nicht nur anleihen macht sondern in ihrem Ursprung eine eigene Jenische Sprache war und immer noch ist. Wir haben unsere eigenen uralten Traditionen, Bräuche und unser eigenes Wertesystem was auf die lange Reise unseres Volkes verweist. Wir haben ein Identitätsbewusstsein, eine eigene halbnomadische Lebensweise die uns prägt, wir haben eine eigene Kultur, eigene Gewerbe und wir haben eine gemeinsame Geschichte. Eine Geschichte des Reisens, geschäftelns, leidens und der Freude.

Wir sind ein Volk, bedingt durch all diese Kriterien die wir erfüllen. Bereits im 13. Jahrhundert schlossen sich Jenische in Bruderschaften, sogenannte Königreiche, zusammen und verstanden sich als "Fahrendes Volk" innerhalb der Mehrheitsgesellschaft.

Was sind die Säulen unserer Identität?

1. unsere eigene Jenische Sprache
2. unsere typischen Gewerbe
3. unsere ungebundene Lebensweise
4. unsere Traditionen, Sitten und Bräuche

Natürlich sind wir auch Schweizer, Deutsche, Belgier, Holländer, Franzosen, Luxemburger, Österreicher...e.t.c...  Alle Völker Europas sind Nachkommen der Indo-Europäer, der keltisch-germanischen Vorfahren. Wir ebenso. Das kann man schon anhand unserer Bräuche, Traditionen und der Sprache beweisen. Wir alle sind Überreste dieser alten Kultur. Jeder für sich ist Träger dieser Vorfahren und somit eine Bereicherung für die gesamte europäische Kultur.
Wir bilden innerhalb dieses Netzes eine andere eigene Kultur mit den selben Vorfahren. Wir sind also nicht viel anders als die anderen Europäer. Im strengeren Sinne macht es daher überhaupt keinen Sinn von Ethnie zu sprechen denn wir alle sind wie bereits erwähnt Nachkommen der keltisch-germanischen Stämme die alle zusammen eine Ethnie, die der Indo-Europäer bilden.

Der Begriff Volk ist also sehr vage und immer mit Kultur, kollektivem Bewusstsein und Verständnis...e.t.c verbunden. Somit sagen wir mit ganzem Recht. Wir Jenische sind ein Volk. Bschito!


Naschet Jenische - Ein für allemal!

Hier möchte ich nun, vielleicht etwas hitzig im Gemüte aber dennoch bestimmt und mit Leidenschaft im Herzen, allen etwas mit auf den Weg geben die sich an unserer Kultur interessieren. Dies bezieht sich auf die Grossregion und vor allem auf unser Luxemburger Land so wie an alle Intellektuelle und regionale Historiker.

Unsere Kultur muss aufgearbeitet werden, ja auf jeden fall. Aber, das ist nicht Sache von Aussenstehenden die den falschen Blickwinkel haben und auf alten Klischees und althergebrachten Fehlinformationen ihre "Forschung" aufbauen. Noch muss die Sprache vor dem Untergang als solches gerettet werden.

Ich halte nun schon längere Zeit Vorträge über unsere Jenische Kultur in der Öffentlichkeit und immer wieder erscheint in den Medien die allgemeine Irrmeinung, unsere Kultur wäre verschwunden, unsere Sprache ausgestorben, unsere Gasche vom Erdboden verschluckt. Irgendwie scheint es mir so als ob ich gegen eine Wand rede...

Quatsch! Alles Unwahr und Blödsinn! Unsere Sprache lebt. Sie wird von allen Jenischen, und es sind über 650.000 Menschen in Mittel- und Westeuropa, täglich gesprochen, sei es daheim, auf den Lagerplätzen oder im Gewerbe. Sicherlich, sie hat etwas abgenommen und wird nur noch von wenigen in ihrer Gänze fliessend gesprochen, aber das sogenannte "Händlerjenisch" ist noch sehr lebendig. Darüberhinaus gibt es wieder die Tendenz das Urjenische, welches nicht nur jenische Worte in die Alltagssprache einfügt, sondern das Jenische als Ganze, als fliessende eigene Sprache, kommt immer mehr unter den Jenischen wieder zurück. Darum bemühen sich auch wieder viele junge Jenische wie der jenische Sprachforscher Mano T. . Die Jenischen und ihre Gewerbe sind ebenfalls noch da. Seitjeher sind die typischen jenischen Gewerbe und Ambulante Handwerke, Schaustellereien e.t.c, fest in Jenischer Hand. Ebenso das Wertesystem, die Traditionen und Bräuche sowie die Sitten und der Glaube wird von den meissten Jenischen noch immer gepflegt, gelebt und ihren Kindern weitergegeben.

Es herrschen verschiedene Ideen über den Ursprung der Jenischen Kultur, des jenischen Volkes an sich. Ganz klar sind wir KEIN Stamm der Roma. Wir teilen Ansatzweise eine ähnliche Lebensweise, bediengt durch die Reise, wie es die Sinte oder Manouche tun. Ansonsten haben wir unsere eigene noch immer lebendige Kultur mit ihren eigenen spezifischen Merkmalen und Unterschieden. Auch die Tendenz heutzutage vieler Jenischer, Wörter des Romanes in ihre Sprache zu übernehmen ist bedauernswert, da so die Alten Ausdrücke aus der Jenischen Sprache in den Hintergrund rücken. Aber wie schon Oben gesagt wird das Gottseidank immer seltener und die alte Sprache unserer Väter erhält wieder seinen Platz in unseren Herzen.

Viele Nichtjenische versuchen durch Initiativen die Sprache zu studieren, sie aufzulisten, zu erforschen, sie tot zu machen. Ja tot machen. Denn sie verstehen nicht dass besonders das Jenische eine mündliche Tradition ist und das ist es was die Sprache lebendig macht. Nur weil es keine Aufzeichnungen gibt, weil sie, die Forscher und selbsternannten Experten, nicht an den Kern der Sache herankommen beschliessen sie prompt dass die Kultur, die Sprache ausgestorben sei. Und beschreien förmlich die Kulturämter darum etwas zu unternehmen, die letzten Reste dieser Kultur zu erretten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen... Ich ka nur schmolle...über so eine Annahme.

WIR WOLLEN NICHT dass unsere Kultur von Fremden, die sie nicht richtig verstehen, die nie so gelebt haben und keine Ahnung haben um was es beim Jenisch sein eigentlich geht, dass die unsere Kultur ausschlachten, schützen wollen, studieren wollen. Es ist unsere Kultur. Seit Jahrhunderten Existent als Unterirdischen Strom, als Kultur nur für Eingeweihte. Wir sind deshalb nicht die besseren Menschen, nein, noch fühlen wir uns Überlegen oder dadurch elitär. Es ist UNSERE Kultur, UNSERE ALLEIN. Wir wollen keine Forscher von Ausserhalb. Es ist unsere Sache zu entscheiden wie weit wir uns öffnen wollen. Wie weit wir uns wieder in der Öffentlichkeit als Jenische zu erkennen geben. Es ist allein unsere Sache über unsere Herkunft zu sprechen und unsere Sprache zu schützen. Unsere Sprache ist geheim. Nicht um zu betrügen, sonder um in Zeiten der Not untereinander sich zu verständigen.

Ihr, die Nichtjenischen unter den Lesern dieses Blogs, müsst verstehen dass wir schon seit Jahrhunderten Existent sind. Dass weder die alten Strukturen verschwunden sind, noch die Sprache und die Gewerbe. Wir sind ein Volk. Vielleicht nicht im ethnischen Sinne aber in einem übergreifenden soziokulturellen und Philosophischen Sinne.

Anstatt immer wieder sich von Fehlinformationen blenden zu lassen wäre es vielleicht mal an der Zeit wenn die Medien, die Presse, die sogenannten "Jenischforscher" und Linguiistik Studenten, sich mit den Vertretern der Jenischen Organisationen die es ja mittlerweile überall gibt, in Verbindung zu setzen.

Bei uns gibt es ein Sprichwort: Leben und Leben lassen....

Aber das haben die Ruche nopi gekneist